Heißt so die Alternative, vor der wir jetzt wieder stehen? Ein Jugendlicher sagte im vorigen Jahr zu mir: „Man hat ja nicht mal mehr im Advent die Zeit, um nachzudenken und in sich zu gehen!“ Also Grund genug, hier einmal darüber nachzudenken, wie wir eigentlich Advent feiern und das Weihnachtsfest begehen. Derzeit ist es ja üblich, aus allem ein Event zu machen. Kaum einmal findet man Ruhe, um zu sich selber zu kommen oder einmal Kraft zu schöpfen, schon wieder ist das nächste Event vor der Tür. Da muss ich hin! Das darf ich nicht verpassen! Menschen werden krank, weil sie von Event zu Event stolpern. Dieses Phänomen oder soll ich besser sagen diese Krankheit hat sogar schon einen Namen: FOMO (Fear of missing out). Es ist die Furcht, etwas zu verpassen, etwas zu versäumen, abgehängt zu werden, nicht mehr mithalten zu können, außen vor zu sein, nicht mehr dazuzugehören!
Eine schreckliche Geschichte! Nein, wenn sie nun vermuten, dass diese „Krankheit“ nur bei jungen Leuten auftritt, dann liegen sie wirklich falsch. Auch Menschen mitten im Leben, selbst ältere Menschen, sind davon betroffen. IStändig die Frage: Wo muss ich mich noch einbringen, was darf ich keineswegs verpassen und aufgeben. Diese Gedanken höhlen unsere Seele aus. Deshalb auch das Krankheitsbild. Menschen sind von Burnout betroffen. Wenn Sie jetzt denken, „dann sollen sie doch halt mal etwas langsamer machen“, dann ist das leider auch nicht richtig. Viele können gar nicht mehr langsamer machen. Sie haben es verlernt in sich zu horchen. Sie müssen jedem neuen Trend hinterherlaufen, TikTok oder andere social Media geben den Takt an. Die Trends darf man nicht verschlafen und bei den Partys muss man dabei sein. Unbedingt!
Und nun kommt Advent, also noch mehr Partys, noch mehr Feiern, noch mehr Alkohol, noch mehr Trubel, noch weniger Besinnlichkeit. Wenn dem so ist, dann müssten wir eigentlich Advent abschaffen und das Weihnachtsfest gleich mit. Denn so war und ist es nicht gemeint. Beim ersten Weihnachten hielt die Welt den Atem an. Selbst in der Engelwelt wurde es einen Moment still, als der Sohn Gottes sich bereit erklärt hatte, als Retter diese Welt zu betreten. Die Hirten auf dem Feld durchbrachen ihre Routine. Obwohl alle am Rödeln waren - es war ja schließlich Volkszählung und alle mussten an ihren geburtsort reisen - schien es so, als wenn auf einmal alles stillsteht.
Gewiss nur für einen Augenblick. Aber einmal wieder das Gespür zu bekommen, dass etwas zur Ruhe kommen kann, dass etwas stillstehen kann, ist ja unglaublich viel. Wenn Ihnen das gelingen würde, im Advent und an Weihnachten einmal wieder einen ruhigen Punkt zu finden, sozusagen den „archimedischen Punkt“ Ihres Lebens zu finden, dann würde das alles in Ihrem Leben aus den Angeln heben: Ihre Anschauung, Ihren Glauben, Ihr Denken, Ihren Lebensrhythmus, Ihr ganzes Hasten und Eilen und nie zur Ruhe kommen, immer mehr und immer weiter und immer höher, nicht nur beim Sport, sondern auch privat, im Urlaub und bei allem, was Sie tun. Oh, habe ich nicht gesagt, Archimedes war der Mensch, der sbehauptete: Gib mir einen einzigen festen Punkt außerhalb dieser Welt und ich werde damit die Erde aus ihren Angeln heben. Ich kenne in meinem Leben diesen Punkt. Ich habe Weihnachten erlebt. Und ich wünsche es jedem von Ihnen auch. Es hebt alles aus den Angeln. Es macht alles anders. Nichts ist mehr wie davor. Wie wäre es in diesem Jahr einmal aus Advent und Weihnachten kein Event zu machen, sondern Advent zu erleben und Weihnachten richtig zu feiern.
Hören Sie auf Ihr Herz und werden Sie weise.
Ach, dass ich es nicht vergesse: die Angebote, die wir im Advent und an Weihnachten machen, sind keine Events. Es sind Punkte zum Innehalten und Mensch zu werden.
Gottes Segen zum Weihnachtsfest
Ihr Gemeindepfarrer Joachim Knab